Die sprachliche Verfasstheit von Kunst wird zum Ausgang einer neuen Werkreihe, die Skulpturen, Objekte, Malerei, Grafiken und eine biochemische Installation versammelt.
Die eigens für die Ausstellung konzipierte Installation Some Velvet Mourning führt in eine Welt der Laborküchen und Alchemie: Kunst ist „feuchte Luft“, die aus den Mundhöhlen der Besucherinnen und Besucher strömt, um an einer gekühlten Bronzeskulptur zu kondensieren. Das Kondensat wird einer chemischen Synthese unterzogen, bei der aus gesprochenen Wörtern molekulare Skulpturen aus Aminosäuren, Glucose und Ethanol entstehen, die als Liköre und Spirituosen materialisiert werden: Je mehr über Kunst geredet wird, desto mehr Trinkbares resultiert; je mehr getrunken wird, umso gesprächiger werden Menschen und desto mehr Kunst wird destilliert.
Für die verschiedenen molekularen Skulpturen wurden 72 Flaschenobjekte angefertigt, aus denen sich die Arbeit Genius in the Bottle zusammensetzt. Grafiken in Email und auf Spiegelglas verweben die Prozesse mit einer konzeptuellen Erzählung, die in Skulpturen und Leinwandbildern, welche kartographische Landschaften und metabolische Ursuppen zeigen, weitergeführt wird.
Thomas Feuerstein hat für die Ausstellung Where Deathless Horses Weep
ein Laboratorium der Kunst geschaffen, in dem Verflechtungen zwischen
Sprache, Bildern, molekularen Strukturen sowie biologische und soziale
Bedingungen des Lebens untersucht werden. Sprache weist bei Feuerstein
über die Kommunikation und Speicherung hinaus und wird zu einem
dämonischen Code, der Symbole, Informationen und Handlungsanweisungen in
Körper und Materie übersetzt. Das Sprechen über Kunst wird zum Material
von Kunst für Elixiere, Essenzen und Spirituosen, in denen
Flaschengeister als Enzyme, Katalysatoren und Programme auf ihre Medien
warten.
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Die Installation Some Velvet Mourning von Thomas Feuerstein vereint – in einem streng wissenschaftlichen Kontext – das klassische Konzept der Ursuppe und Uratmosphäre mit der Wirkungsweise von Schwarzen Rauchern als beschleunigende Katalysatoren der biomolekularen Genesis. Der technische Aufbau spiegelt somit im Labormaßstab ein wahrscheinliches Szenario wider, wie es auf unserem Planeten vor über 3 Mrd. Jahren zur Neogenese der molekularen Vorstufen komplexer Lebensformen kommen konnte.
Die in der
Biologie klassische Formulierung für den Beginn des Lebens lieferte der
US-Wissenschaftler Stanley Miller. Gemäß seiner “Ursuppen-Theorie”
entwickelten sich aus einem Gemisch von Methan, Ammoniak, Wasser und
Wasserstoff in Reaktion mit elektrischen Funken organische Stoffe in den
irdischen Ur-Ozeanen. Das klassische Experiment hatte das Ziel, in
einem einfachen Glaskolben die Verhältnisse auf der unwirtlichen Urerde
nachzuahmen, über deren Ozeane Schwaden dichter Vulkangase zogen,
während Blitze die Atmosphäre durchzuckten.
In der simulierten,
brodelnden Ursuppe waren aber nicht einfach irgendwelche chemischen
Verbindungen entstanden, vielmehr ließen sich Aminosäuren, Ketone,
Aldehyde oder Harnstoff nachweisen – allesamt Schlüsselverbindungen
lebendiger Organismen. Analog zu Millers Experiment vor 57 Jahren, lässt
auch Feuerstein in einem gläsernen Kreislauf Wasser kochen, dessen
Dampf sich mit dem zugeführten Gasgemisch vermengt. Elektrische
Funkenschläge bilden natürliche Blitze nach. Der Dampf kondensiert,
tropft in den Kolben zurück und der Kreislauf beginnt von neuem.
Bereits nach zwei Tagen findet sich die einfache Aminosäure Glyzin in
seinem Reaktionsgemisch, ein Bestandteil von Proteinen. Zucken die
künstlichen Blitze eine Woche lang, überzieht sich die Innenwand des
Kolbens mit einer öligen Flüssigkeit, das Wasser selbst färbt sich
gelblich-braun. Die automatische Probenanalyse zeigt, dass sich nun
neben Glyzin, weitere Aminosäuren und andere organische Verbindungen in
der kondensierten “Ursuppe“ angereichert haben.
Einen
Teil des so gewonnenen Kondensats führt Feuerstein laufend dem zweiten
funktionellen Aufbau der Installation zu, einem Schwarzen Raucher im
Labormaßstab. Die dabei abgezweigte Flüssigkeit aus der experimentellen
Ursuppe lässt Feuerstein kontinuierlich durch nachströmende Mengen
ersetzen: in Analogie zur globalen Vereisung der präkambrischen Urerde –
in Form von glazialem Schmelzwasser.
Schwarze Raucher sind
natürliche, hydrothermale Quellen auf dem Meeresboden in mehreren
tausend Metern Tiefe. Sie entstehen, wenn Seewasser in die Kruste des
Meeresbodens eindringt, erhitzt wird, mit dem Krustengestein reagiert
und mit bis zu 400°C wieder zum Meeresboden aufsteigt. Entdeckt wurden
sie erst 1977. Bis dahin war man davon ausgegangen, dass in der völlig
lichtlosen, nährstoffarmen und lebensfeindlichen Umwelt der tiefen Meere
kaum Leben existiere. Die Schwarzen Raucher aber reichern das
umliegende Meerwasser mit einem Cocktail aus verschiedenen chemischen
Elementen an, vor allem mit Helium, Schwefel und Eisen, aber auch mit
wichtigen Spurenelementen wie Mangan, Kupfer und Zink sowie anderen
Mineralien, die als Katalysatoren die Neuentstehung und Veränderung von
organischen Molekülen ermöglichen. Nach neuesten Erkenntnissen bildeten
vor allem die lehmartig strukturierten Eisen-Schwefel-Komplexe der
unterseeischen Schlote die perfekten Keimzellen für die Entstehung der
allerersten Lebensform. In gewisser Weise entspräche dies sogar der
Theorie von “Adam” – zumindest wenn man seine Bedeutung aus dem
Hebräischen herleitet: “adamah” gilt dort als Bezeichnung für die
rötlich-braune Erdschicht, also für Ackererde oder Humus.
Es ist jedenfalls höchst bemerkenswert, aber wissenschaftlich erklärbar, dass auch heute noch eine erstaunliche Vielfalt an primitiven Lebensgemeinschaften rund um die heißen Tiefseeschlote vulkanischen Ursprungs angesiedelt sind. Trotz der für höhere Lebensformen gänzlich unwirklichen Bedingungen bei extremen Drücken und Temperaturen, in absoluter Finsternis, ohne Sauerstoff, aber mit stark toxischen Gasen und Schwermetallen angereichertem Meerwasser.
In der gezeigten experimentellen Anordnung ist den beiden Genesisprozessen ein fraktioniertes Aufreinigungsverfahren für eine ausgewählte organische “Ursubstanz“ nachgeschaltet. Exemplarisch wird hier dargestellt, wie aus dem Ursuppenmolekül Ethanal an der katalytisch reduzierenden Matrix des Schwarzen Rauchers Ethanol, also Alkohol, generiert wird. In einem mehrstufigen Destillationsprozess wird dieses Biomolekül von allen anderen de novo entstandenen Verbindungen getrennt und als genussfähige Reinextrakt gewonnen.
Thomas Seppi
Labor für Strahlenbiologie, Medizinische Universität InnsbruckThe
linguistic constitution of art has been the starting point of a new
series of works encompassing sculptures, objects, paintings, graphic
works, and a bio-chemical installation.
The
installation entitled some velvet mourning, conceived for the
exhibition, leads us into the world of laboratory kitchens and of
alchemy, where art is ‘moist air’ streaming from the mouths of the
visitors and subequently condensing against a cooled bronze sculpture.
The condensate then is subjected to a chemical synthesis in the course
of which spoken words turn into molecular sculptures made up of amino
acids, glucose, and ethanol that finally are materialised into liqueurs
and spirits. The more people talk about art, the more liquid there will
be. The more people drink, the more talkative they become, and the more
art will be distilled.
Seventy-two
bottle objects have been manufactured for the different molecular
sculptures that make up a work entitled genius in the bottle. Graphic
works on enamel and mirror glass tie the processes in with a conceptual
narrative that is pursued yet further in sculptures and paintings on
canvas depicting cartographic landscapes and metabolic primordial soups.
For the exhibition, bearing the title where deathless horses weep, Thomas Feuerstein has created a laboratory of art in which the interconnections between language, images, molecular structures as well as biological and social conditions of life are being investigated. Language, with Feuerstein, reaches beyond communication and data storage and becomes a demonic code that translates symbols, information and instructions into bodies and matter. Talking about art, however, turns into the material of art so as to bring forth elixirs, essences and spirits in which genies in bottles – as enzymes, catalysts and programmes – wait for their media.
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The installation Some Velvet Mourning by Thomas Feuerstein – in a strictly scientific context – combines the classic concept of the primordial soup and of primordial atmosphere with the way black smokers work, namely as accelerating catalysts of bio-chemical genesis. The technical construction thus, on a laboratory scale, mirrors a potential scenario of how the neo-genesis of the molecular precursors of life forms could come about on our planet more than three billion years ago.
The interpretation generally accepted within the biological sciences of how life began was supplied by the US scientist Stanley Miller. According to his primordial soup theory, organic matter emerged in Earth’s primordial oceans from a mixture of methane, ammonia, water and hydrogen in reaction with electric sparks. The traditional experiment in a simple glass flask aimed to reconstruct the conditions on the inhospitable primordial planet, over whose oceans wafts of dense vulcanic gases drifted while lightnings flashed through the atmosphere.
It wasn’t simply just any chemical compounds that formed in the simulated, bubbling primordial soup, though, but amino acids, ketones, aldehyde or urea – all of which are key compounds of living organisms. In analogy to Miller’s experiment of 57 years ago, Feuerstein too brings water to the boil in a closed circuit made out of glass, the steam thus produced mingling with the gas mixture injected. Electric sparks imitate natural flashes of lightning. The steam condenses, drips back into the flask, and the cycle starts anew. Within no more than two days the simple amino acid glycine forms in this reaction mixture, which is a component of proteins. After a week of the artifical lightnings flashing, the inner wall of the flask is covered by an oily substance, the water itself has turned yellowy brown in colour. The automatic chemical analysis shows that, beside glycine, further amino acids and other organic compounds have now accumulated in the condensed primordial soup.
Part
of the condensate won in this manner Feuerstein continuously diverts
into the second functional construction of the installation, a
laboratory-scale black smoker. The liquid thus extracted from the
experimental primordial soup the artist continuously replaces by new
liquids – in analogy to the global glaciation of the pre-Cambrian era,
in the shape of glacial meltwater.
Black smokers are natural, hydrothermal wells several thousand metres deep on the ocean floor. They form when sea water penetrates into the seabed’s crust, is heated up, reacts with the crust’s rock, and then rises again to the seabed at a temperature of up to 400 degrees centigrade. Black smokers were first discovered in 1977. Until then scientists had assumed that there was hardly any life in the completely lightless, nutrient-poor and hostile environment of the deep sea. However, the black smokers enrich the surrounding sea water with a cocktail of various chemical elements, primarily helium, sulphur and iron, but also with important trace elements such as manganese, copper and zinc, as well as other minerals that, as catalysts, make possible the development and reformation of organic molecules. The latest findings indicate that especially the loamy iron-sulphur complexes of the submarine vents formed the perfect nucleus for the emergence of the very first life forms. In a certain way this even corresponds with the theory of Adam – at least if we derive the meaning of the name from Hebrew: there ‘adamah’ refers to the reddish brown layer of earth, i.e. to soil or humus.
In any case, it is highly remarkable, yet scientifically explainable, that even today the hot deep sea vents of volcanic origin are home to an astonishing variety of primitive life forms cohabiting. And they are so despite the conditions, totally inhospitable to higher organisms, extreme pressure and temperatures, and total darkness, a complete lack of oxygen, instead in water rich in highly toxic gases and heavy metals.
In the experimental arrangement thus presented, the two genesis processors are supplemented by a fractionated purification mechanism for a selected organic ‘primordial substance.’ We thus become witness to a generic process, namely of how ethanol, i.e. alcohol, is being generated from the primordial soup molecule ethanal at the catalytically reducing matrix of the black smoker. In a multi-stage distillation process this biomolecule is separated from all other compounds emerging de novo and thus won as a digestible pure extract.
Thomas Seppi
Laboratory of Radiobiology, Innsbruck University of Medicine