„Kurzes Leben“ ist ein gezeichneter Film. Jede der Zeichnungen ist komplex und fein gearbeitet, ein kleines Meisterwerk. In der Folge ergeben sich überraschende Perspektivenverschiebungen, Metamorphosen und Lichtsituationswechsel, die von einem Zustand in den anderen hineinfinden, im Einklang mit der psychologischen Bewegung im Film. Der Strich umreißt die Figuren, das Hell-Dunkel umfließt die Räume, seine Dynamik treibt die Handlung voran, als wäre es an die Stelle der Zeit getreten – eine sichtbar gemachte fließende Zeit aus Graphit.

Ein Sterntaler-Mädchen kristallisiert sich, ein fragiles Wesen, fast nackt, getrieben von Sehnsucht und Neugier auf Liebe und auf Leben. Und sie findet die Liebe, lächelt erlöst und schelmisch beim Anblick der sich kreuzenden Strahlen der beiden Liebenden. Gleich darauf wird sie abrupt vom Geliebten verlassen.

Geleitet vom Glauben an die gerechte Logik des Märchens, will man das unschuldige Kind belohnt sehen. Doch die vielversprechende Prophezeihung wird sich als Betrug erweisen, der Talisman wird sie nicht schützen können. Schicksal gibt es nicht, sehr wohl aber eine fatale Serie entsetzlicher und mysteriöser Zufälle.

„Kann es denn noch schlimmer werden? Ja, es kann.“

Tragikomisch fast, der nie aufhören wollende Absturz, bis in die Hölle hinein, in der der Teufel persönlich am Werk ist, mit seiner rätselhafter Grässlichkeit, der Erfinder des splatter.

Unerwartet kommen die prosaisch-nüchtern wirkenden Kommentare des Mädchens. Die direkte Sprache tut der schwarz-romantischen Poetik des Films keinen Abbruch, sie steigert sie sogar. Unverblümtheit ist immer schon ein treuer Gefährte des Feinsinns gewesen.

„Dann scheiß’ ich halt auf die Liebe!“

Betrogen, ausgezogen, verlassen, gemartert, von den Ärzten aufgegeben hat das gerade noch atmende Wesen überlebt:

“Aber ich glaube, bald habe ich es geschafft!”

Ob sie das Leben geschafft hat und den Tod erlangt oder umgekehrt bleibt offen. Wahrscheinlicher ist es, daß das Pensum an Unglück einfach erfüllt ist – von diesem tiefsten Punkt aus kann es auf der Spirale nur mehr nach oben gehen. Oder aber: das Mädchen, und mit ihr auch wir, müssen endlich aufwachen, um dem Gräuel eines Albtraums entrinnen zu können. Jedes Erwachen ist gleichzeitig ein Auferstehen.

Die intensive Arbeit an dem Film hat vier Jahre in Anspruch genommen.

Mara Mattuschka

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